Ungezügelt sündhaft – Sia Korthaus Premierenkritik

Sia Korthaus Köln - Foto © Simin KianmehrSia Korthaus: „Lust auf Laster“

von Marianne Kolarik

KÖLN – Nein, Fernfahrer hatten sich nicht ins Senftöpfchen-Theater verirrt, um alles über Laster zu erfahren. In „Lust auf Laster“, so der Titel des neuen Programms von Sia Korthaus, mit dem sie im Rahmen des Köln Comedy Festivals eine umjubelte Premiere feierte, ging es vielmehr um verbotene Leidenschaften wie Wollust („auch Lust kann zum Laster werden“), Völlerei und Faulheit – also ganz alltägliche „Sünden“, die das gewisse Etwas besitzen, kurz: sexy sind.

Dabei belässt es Korthaus allerdings nicht. Sie holt auch eine Vierjährige und die circa 90jährige Oma Emmi auf die Bühne, Vertreterinnen zweier ganz unterschiedlicher Generationen, die einen „Generatorenvertrag“ abgeschlossen haben. Und die pfiffige Handpuppe Britta, die gerne YouTube-Star würde und viele alberne Witze erzählen kann.„Was macht eine Wolke mit Juckreiz? Klar, sie hält nach einem Wolkenkratzer Ausschau!“

Sia Korthaus Köln - Foto © Simin KianmehrBei ihrer Lieblingsbeschäftigung – im Wald spazieren gehen – trifft sie auf ihren Finanzbeamten Herkenrath (ob er sich wohl so schreibt?), der einem Club angehört, der sich um die kulturelle Erhaltung von Steinzeit-Riten verdient macht und gleichzeitig eine Steuernachzahlung von ihr einfordert. Mit ihrer „leicht sadistischen Ader“ denkt sie über einen Mitgliedsantrag für die R.A.F. (Raucher Armee Fraktion) nach und erzählt von ihren Erfahrungen mit Billigflugreisen in die USA. Nur zum Beispiel.

Unter der Regie von Stunksitzungs-Regisseur Thomas Köller und mit Unterstützung von Co-Autoren wie Thilo Seibel, Gernot Voltz („Herr Heuser vom Finanzamt“) und anderen ist ein Programm entstanden, in dessen Verlauf die Kölner Kabarettistin sämtliche Register ihrer phänomenalen Verwandlungs-Kunst ziehen kann. Nicht zu vergessen: Britta, die vorlaute Handpuppe, die einen Limbo-Tanz auf dem Stehpult absolviert, und die von Ariane Baumgartner komponierten und arrangierten Songs („Zügeln hat keinen Sinn, ich geb‘ mich gern dem Laster hin“), die Korthaus mit ihrer prächtigen Stimme intoniert. Wie die Poetry-Slam-Zugabe mit Wollmützen-Charme. Ein Erlebnis.

Sia Korthaus Köln - Foto © Simin Kianmehr

©2017 Bonmot-Berlin
Fotos: © Simin Kianmehr

Homepage Sia Korthaus

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