Komm ein bisschen mit nach Empörien – Kritik Faltsch Wagoni

Faltsch Wagoni: „Auf in den Kampf, Amore!“

von Gilles Chevalier

BERLIN – Wie wäre es mit einem neuen Staat? Als ob es die Probleme um Katalonien geahnt hätte, gibt sich das Duo Faltsch Wagoni dieser Träumerei hin. Da wird dann alles besser sein: Weil sich die Demokratie nicht recht bewährt hat, soll jetzt eine Monarchie her. Mit Silvana Prosperi als Königin und Thomas Prosperi als Volk, oder genauer Folks. Das passt, denn Thomas hat an der Gitarre etwas mehr zu tun als Silvana, die sich überwiegend am Cajón der Rhythmusgestaltung hingibt.

Wort und Musik halten sich die Waage. Besonders gelungen

ist die „Politiko-Liebe“. Ausführlich wird in diesem Lied beschrieben, welche Staatsfrauen und -männer sich in welchen Kombinationen herzen und küssen. Auch das Gedicht über den Kefir, „das Haustier der 70-er Jahre“ verdient besondere Erwähnung.

Ein Name für das neue Land ist schnell bei der Hand: Es soll „Empörien“ heißen, feminin sein und ohne Nationen auskommen. Dort soll es keine Überregulierung und keine Flüchtlingsverwaltung geben, sondern Freiheit. Empörien soll schlicht „die Heimat der empathischen Europäer“ sein.

Intelligent, aber nicht verkopft, lädt Faltsch Wagoni das Publikum zu dieser Reise ein. Eine Wonne ist der präzise Gesang des Duos, das seit über 30 Jahren gemeinsam auftritt. Die Artikulation der Künstler und die gut gestaltete Lichtregie verdienen höchste Anerkennung. Nun mag sich mancher fragen, warum der Kritiker solche Selbstverständlichkeiten lobt. Weil sie eben nicht mehr selbstverständlich sind! Handwerk hat zwar nach wie vor goldenen Boden, doch Gold bleibt ein knappes Gut.

Die Probleme der heutigen Zeit werden in Empörien natürlich angepackt und gelöst. Die Sache mit der Integration zum Beispiel durch die spannende Frage, wer sich wohin integrieren soll. „Haben Sie sich schon einmal integriert?“, fragt Thomas Prosperi. Vom Duett zum Duell gerät der Abend, als die beiden am Smartphone gegeneinander twittern. Auch eine Möglichkeit, dem Meinungsüberfluss Paroli zu bieten.

Überhaupt: Die Sprache! Fein ziseliert und austariert treten hier zwei spitze Zungen an. Und zwar nicht gegeneinander, sondern miteinander. Gegen alle Widrigkeiten und Zweifel, für einen schönen Traum, der nach und nach immer facettenreicher wird.

Lacher sind in diesem sehenswerten Programm im nahezu ausverkauften Varieté Salon der Berliner ufafabrik selten. Das Publikum hat sich einfach zu sehr von Faltsch Wagoni fesseln lassen. Oder sogar schon überlegt, wann es nach Empörien auswandern wird.

Galerie

©2017 BonMoT- Berlin

Fotos: Carlo Wanka

Homepage Faltsch Wagoni – ufaFabrik

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