Verstörend und amüsant – Matthias Egersdörfer Kritik

Matthias Egersdörfer : „Ein Ding der Unmöglichkeit“

von Jan-Geert Wolff

MAINZ – An Matthias Egersdörfer nagt der Selbstzweifel: Ist Kabarettist überhaupt der richtige Beruf? Eigentlich wollte er lieber Sportlehrer sein: „In einem Frauengefängnis.“ Dem steht indes die eigene Müdigkeit im Wege. Doch alle Methoden zum tiefen Einschlummern fruchten nicht: Während des Schafezählens vertut er sich stets bei Nummer 159 und auch das Vorstellen von Morden oder Selbstmorden ist kaum zielführend. Nein, er findet nicht richtig hinein in sein neues Solo, dessen Name wie ein Menetekel erscheint: „Ein Ding der Unmöglichkeit“.

Dieses Herumlavieren, das An- und Absetzen gehört natürlich dazu und ist nur eine Ebene des äußerst vielschichtigen Abends dieses grandiosen Geschichtenerzählers aus Franken, der in der Schilderung eines rustikalen Menüs aus „Knöchla“ (Eisbein), Sauerkraut, Kartoffeln und Bier versinkt, um am Schluss, nach dem letzten Schlehenschnaps, die gesättigte Atmosphäre mit rohem Fäkalhumor einzureißen: „Ich habe mich nicht mehr im Griff“, sinniert Egersdörfer.

Der fränkische Dialekt, der bei seinen kabarettistischen Landsleuten eher als putzige Eigenart quasi nebenher mitschwingt, ist bei diesem Künstler eine der tragenden Säulen des Vortrags. Mit der Diktion spielt er wie mit der Dynamik und sorgt dafür, dass der Adrenalinspiegel kurz mal in die Höhe schnellt, wenn er jäh ins Publikum kreischt. Er ist ein Mann der Extreme, bei dem die Schilderung einer Wurst als barockem Gottesbeweis gleichberechtigt neben mancher Unappetitlichkeit steht, die hier nicht weiter vertieft werden soll.

Der erste Teil dauert über eine Stunde und überzeugt durch Egersdörfers Talent, seine Erzählung abschweifend und immer wieder an verschiedene Enden anknüpfend voranzutreiben. Füllt er als Leiter der Spurensicherung im Nürnberger Tatort nur eine Nebenrolle aus, ist der Franke auf der Kleinkunstbühne als Selbstdarsteller großer Mime. Seine Geschichten haben eine kernige Plastizität und was klein beginnt, steigert sich zuweilen zum Inferno.

Herrlich intensiv erzählt er von seinen Bemühungen, pünktlich zur Oper zu kommen, argumentiert, warum es sich für Islamisten empfiehlt, vor ihren Attentaten den LKW auszusaugen oder berichtet von seinen Besuchen beim Therapeuten. Was sich krude lesen mag, ist auf der Bühne nicht minder verstörend und dabei doch höchst amüsant. Allein zum Schluss hin verdichtet Egersdörfer seinen Inhalt zu stark. Wer hier einen Moment unaufmerksam ist, verliert den Anschluss und blickt ratlos auf sein Stück abgerissenen, roten Faden. Ein Wiederhineinfinden erweist sich dann leider fast als „Ding der Unmöglichkeit“.

Dieser Artikel erschien zu erst im Blog – schreibwolff.de

Homepage: Matthias Egersdörfer      Matthias EgersdörferGalerie

 

Fotos: Carlo Wanka

 

 

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