„Schnauze voll!“ – Richard Rogler hört auf

2017-12-11 Richard Rogler - Foto Marianne KolarikAbschiedsvorstellung am 15. Dezember in der Comedia Köln

von Marianne Kolarik

KÖLN – Er habe die Schnauze voll, sagt Richard Rogler seinem Gesprächspartner Till Quitmann in der WDR-TV-Sendung Lokalzeit unter dem Motto „Klappstuhl“ auf die Frage, wieso er sich von der Bühne verabschiede. Der einzige Kabarettist, der drei Mal mit dem Deutschen Kleinkunstpreis des Mainzer unterhauses ausgezeichnet wurde, schmeißt das Handtuch. Was ist da los? Ist das Genre am Ende? Oder der Mann?

Wie oft das Kabarett zu Grabe getragen wurde, lässt sich kaum noch feststellen. Fest steht nur, dass auch die Kleinkünstler älter werden. Was nicht unbedingt mit einem Reifungsprozess einher geht. Wohl aber mit körperlichen Malaisen. Die kann keiner brauchen, aber auch nicht vermeiden. Als ich vor kurzem eine Freundin fragte, ob sie Lust hätte, mich am 15. Dezember zu Roglers Abschiedsvorstellung in die Kölner Comedia zu begleiten, antwortete sie mir, sie wolle keine alten salbadernden Männer sehen.

Das war gemein. Weil Rogler keinesfalls salbungsvoll schwätzt, sondern nur ein bisschen zittert. Und nicht mehr die Kraft hat, sich neu zu erfinden, wie er selbst zugibt. Was ihn nicht daran hindert, gezielte Breitseiten an den Nachwuchs zu verteilen.„Es hat sich rumgesprochen, dass man mit ein paar Pointen richtig Geld verdienen kann.“ Spielen (im Sinne von schau-spielen) könne sowieso keiner mehr. „Man hat sich mittlerweile an die komplette Mittelmäßigkeit gewöhnt“. Vor allem durch die ständige Berieselung im Fernsehen, schimpft Rogler.

Auch das ist nur die halbe Wahrheit. Und angesichts der vielen engagierten Menschen in der Unterhaltungsbranche auch wieder ganz schön gemein. Man schaue sich nur die (ZDF-)Anstalt an. Oder Christian Ehrings „extra3″“ (NDR). Nur zum Beispiel. Auch der Hörfunk liefert viele schöne Beispiele für innovative Kleinkünstler jedweder Couleur, farbenprächtige Anarchisten, die alle wohlfeilen Erwartungen unterlaufen. Das ist nicht immer nur lustig, sondern oft auch ziemlich gewagt.

Man sehe und höre sich nur mal eine Nachwuchskünstlerin wie Lara Stoll an, die kürzlich in der 50 Jahre alt gewordenen WDR5-Sendung „Unterhaltung am Wochenende“ demonstriert hat, wie man verschnarchte Männer lautstark auf den Arm nimmt. Große Klasse. Oder die österreichische Teufelin Lisa Eckhart, deren Auftritte so manchen Kabarettliebhaber nachhaltig verstören. Die kennt Rogler aber vermutlich nicht.

Das Kabarett stagniere, es müsse sich komplett revolutionieren. „Ich wüsste, wie das geht,“ sagt der Erfinder des Pfandflaschenbesitzers Camphausen in „Freiheit aushalten“, mit dem er 1986 die Szene auf den Kopf gestellt hat. Allerdings reichten inzwischen seine psychischen und physischen Kräfte nicht mehr für einen solchen Paukenschlag aus. Während sich die Welt weiter entwickle, sei das Kabarett an einem Punkt angekommen, an dem es sich erneuern müsste.

Er wüsste schon, wie man dem Genre auf die Sprünge helfen könne, aber dazu sei er inzwischen – er blickt auf 68 Lenze zurück – zu alt. Die Gastspiel-Reiserei über viele Jahre durch ganz Deutschland hinge ihm in den Knochen. Die Zeit für die Entgegennahme für Ehrenpreise aller Art scheint angebrochen zu sein. Oder Jubiläums-Sendungen wie den 30. Geburtstag der (WDR-)„Mitternachtsspitzen“ im kommenden Herbst, die er als Moderator gleichsam aus der Taufe gehoben hat.

Vielleicht muss man auch noch erwähnen, dass Rogler seit dem Jahr 2000 als Honorarprofessor an der Berliner Universität der Künste lehrt – und dort eine Menge Erfahrungen mit dem Nachwuchs gesammelt hat. Nicht unbedingt nur gute, lässt sich vermuten.

©2017 BonMoT-Berlin
Foto: Marianne Kolarik

 

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