Rabenschwarzer Humor und ein ausgeprägtes Sprachgefühl – Kritik Michael Feindler

Michael Feindler: „Artgerechte Spaltung“

von Marianne Kolarik

Er sieht in „Artgerechte Spaltung“ keinen Zusammenhang zwischen dem Kreuzchen, das er auf dem Wahlzettel hinterlassen hat und dem derzeitigen Zustand der Politik in Berlin, der 1989 in Münster geborene Kabarettist Michael Feindler. Dabei weiß er nur zu gut, dass nicht alles so ist, wie es scheint. Es sei denn, es handele sich um einen Junggesellen-Abschiedsabend. Der ist in der Regel genauso würdelos wie es scheint. Stopp. Hierhin gehört die Anmerkung, dass es sich bei Feindler um einen Gitarre spielenden Feministen handelt, der selbst am besten weiß, wie schwer es Männer haben. Und dass die Natur kein moralisches Empfinden besitzt.

Im Gegensatz zum menschlichen Individuum, das sich zu allem Überfluss auch noch verlieben kann. Und das auch ausgiebig tut. Entgegen jeder Vernunft. Feindler ist ein genialer Widerspruchs-Jongleur. Auch mit Zwangsneurosen kennt er sich aus. Und mit den verschiedenen Schichten der Gesellschaft. Besonders mit der Unterschicht? „Unterschicht, das sind die andern.“ Das habe er bereits in der Schule gelernt.

Und weiter: „Alle, die das damals nicht gelernt haben, waren nicht mit uns auf dem Gymnasium. Die Unterschicht kam bei uns nur vor, wenn wir uns mal als ‚Asis‘ verkleidet haben. Das haben wir eine Woche vor den Abiturprüfungen gemacht. In der sogenannten ‚Motto-Woche‘. Jeden Tag ein anderes Verkleidungs-Motto. Und ein Tag war ‚Asi‘-Tag. Auf den haben wir uns am meisten gefreut: Endlich mal in Feinripp-Unterhemd und Jogginghose auf den Schulhof setzen, grillen und billiges Bier saufen. Natürlich ironisch. Eine geile Zeit war das.“

Als Gymnasiast gehörte er automatisch zu den besseren Menschen. Das gleiche habe für die Lehrer gegolten, die damit gedroht hätten, Schüler und Schülerinnen auf die Realschule abzuschieben – und ihnen vorschlugen, zur Müllabfuhr zu gehen, wenn sie keine Lust hätten, fürs Abitur zu lernen. „Das Schlimmste daran war, dass wir es geglaubt haben. Für uns war es ganz normal, die Welt in oben und unten einzuteilen. In Gymnasien und Restschulen. In Menschen, die Müll produzieren, und solche, die Müll wegbringen.“

Nach dem gleichen Prinzip förderten deutsche Gymnasien Schüler mit schlechten Noten – nämlich gar nicht. „Warum schwierige Schüler unterstützen, wenn sie auch einfach die Schulform wechseln können? Die stören doch nur die Leistungsstatistik. Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.“ Als ob das eine Lösung wäre. Durch diese Haltung manifestiere das Gymnasium seit Jahrzehnten gesellschaftliche Spaltungen.

„Die meisten von uns konnten einen Scheiß dafür, zu den Gewinnern der Gesellschaft zu gehören. Ich für meinen Teil hätte mich schon richtig blöd anstellen müssen, um als Sohn von zwei Akademikern nicht auf einem Gymnasium zu landen.“ So sei er und seinesgleichen durchs Bildungssystem stolziert – mit der Überzeugung, alles seiner eigenen Leistung zu verdanken. „Denn je größer die sozialen Unterschiede in einer Gesellschaft, desto größer das Bedürfnis, die Unterschiede zu betonen.“

Er verteilt unter der einfühlsamen Regie von Josephine Kremberg aber nicht nur politisch motivierte Breitseiten, sondern besitzt auch rabenschwarzen Humor und ein ausgeprägtes Sprachgefühl, das sich in seinen – ja, man muss es sagen – geschliffenen Versen niederschlägt. Und in seinen schönen Liedern. Und in seinen klugen Anmerkungen über reiche und arme Menschen („Man kann nicht wissen, wie sich Armut anfühlt“). Außerdem rückt er den Gründungsmythos Europa zurecht und klärt darüber auf, dass ein Teil der Syrer von heute die Phönizier von vorgestern waren.

Meinungsfreiheit schön und gut, „aber nicht für jeden“, nicht für den ordnungsliebenden Nachbarn, einen Polizisten, der vom Establishment abgehängt worden sei. Feindler singt einen Song vom moralischen Sieg, den er sich leisten könne, weil er es sich mit dem Schicksal verderben wolle und die globale Spaltung begreifbar mache. Stimmt. Gut, wenn man Feindler kennt.

©2018 BonMoT-Berlin
Fotos: Andreas Tobias | Aileen Krause

weitere Termine auf der Homepage von Michael Feindler

 

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