Der Wettbewerb um die 33. St. Ingberter Pfanne 2018 – 2. Tag

Michael Feindler © BonMot-BerlinMit Michael Feindler, Tan Caglar und Liza Kos

von Gilles Chevalier

ST. INGBERT – Unterschiede und wie sie entstehen – das ist das Thema in Michael Feindlers Programm „Artgerechte Spaltung“ Er wählt die Form des lyrischen Musikkabaretts und blickt zunächst auf die Anfänge der Menschheit. Da war es lebenswichtig, zwischen den eigenen Gruppenangehörigen und den Anderen zu unterscheiden. Leider hat sich dieses Unterscheiden bis zum heutigen Tag bei den Menschen so tief eingeprägt, dass es immer noch praktiziert wird.

Die Spaltung, so Feindler, wird aber auch eingepflanzt. Leistungsschwachen Gymnasiasten wird nicht etwa Hilfe angeboten, sondern ihnen wird mit Absteigen, ja Abschieben, auf eine Realschule gedroht. Feindler ist auch selbstkritisch, wenn er sich daran erinnert, dass er von seiner Schule natürlich viel mehr gehalten hat, als von der Nachbarschule. Oder wenn er in seinem Gedicht „Der Bildungsbürger“ beschreibt, wie aus „feiner Ironie Verachtung im Gewand der Klugheit“ wird. Die Junggesellenabschiede seiner Akademikerfreunde bleiben auch nicht ungeschoren, stehen sie doch unter dem Motto: „Wer stets mit Ironie erbricht, gehört noch nicht zur Unterschicht“.

Keine Frage, Michael Feindler ist mit der Spaltung nicht zufrieden. Genau so wenig wie mit dem neuen Freund einer Bekannten, der rechtem Gedankengut nachhängt. Flugs greift er zur Gitarre und entwickelt die Kampagne „Mit Fake News gegen Rechts“, in der er Rechtsgerichteten nachsagt, süße Katzenbabys zu quälen und zu töten.

Um die Spaltung zu überwinden, ruft Feindler zur Begegnung auf. Kontakt und Austausch können Unterschiede nivellieren. Neue gesellschaftliche Utopien entwirft er in seinen Programmausschnitten nicht, ihm reicht das Aufmerksammachen auf den Ist-Zustand. Mit fein ziselierten Texten und eigener Lyrik schafft er eine distanzierte Bühnen-Situation. Das Publikum kann entscheiden, wie nah es Feindlers Werk an sich heranlassen will. Heftiger Applaus.

Tan Caglar © BonMot-BerlinTan Caglar lässt es dagegen locker angehen. Wie ein Zwiegespräch mit dem Publikum sind die Ausschnitte aus dem Programm „Rollt bei mir“ gestaltet. „Ich bin von Geburt an gehandikapt: Ich bin Türke“, beginnt er seinen Vortrag. Geschickt, denn so kann der Comedian und Profi-Rollstuhl-Basketballspieler das Offensichtliche in den Hintergrund rücken. Die Rollstuhlperspektive spielt im Programm zwar eine Rolle, etwa in der Beschreibung ungebetener und ausgesprochen dämlich wirkender Bemerkungen von Passanten. Oder in der Erzählung über seinen Besuch im Fitnessstudio, das auf die Bedürfnisse und Fertigkeiten eines Rollstuhlfahrers so überhaupt nicht eingerichtet ist.

Recht schnell spielt der Rollstuhl aber keine Rolle mehr. Caglar reduziert sich selbst – auf den Comedian. Ob dieser Comedian dann Turnschuhe oder Lackschuhe trägt, einen Anzug oder ein T-Shirt anhat, im Rollstuhl sitzt oder laufen kann, spielt keine Rolle mehr. So, wie bei einem Puppenspieler: Er ist zwar auf der Bühne, aber man nimmt ihn nicht mehr wahr. Schließlich ist es rollstuhlunabhängig, ob im Baumarkt nach ewigem Suchen ein Mitarbeiter gestellt werden kann. „Baumarktmitarbeiter durften wahrscheinlich als Kind nicht verstecken spielen…“, resigniert Caglar.

Die Erlebnisse bei einem Auswärtsspiel seines Rollstuhl-Basketballclubs lassen sich wahrscheinlich zu 80% auf jedes Auswärtsspiel eines Sportvereins übertragen: Unzureichende Organisation, mieses Catering und ungehobelte Sportkameraden findet man überall. Einzig die Lehre „Traue nie einem Rollstuhl-Basketballer mit schmutzigen Schuhen“ ist hier exklusiv.

Caglar spielt sich in die Herzen der Zuschauer. Ein gut strukturierter Vortrag, ein Schuss Selbstironie und sehr viel Schlagfertigkeit lassen das Publikum heftig applaudieren.

Kos Liza © BonMot-BerlinLiza Kos hat dagegen bei der Zusammenstellung der Ausschnitte aus ihrem Programm „Was glaub ich, wer ich bin?!“ ein weniger glückliches Händchen. Sie beginnt als gelangweilte Russin, die sich mehr über die bequemen Stühle, als über das Publikum freut. Sie bittet um Verständnis für den fehlenden Enthusiasmus: „Für mich als Russin, so ganz ohne Doping…“

Um einen neuen Ex-Mann zu finden, sei sie nach Deutschland gekommen. Dabei bedient sie kräftig die Klischees über Russen: Wodka, Gewalt und Frauen in der Mädchenrolle. Dann greift sie zur Gitarre und hält den Deutschen den Spiegel vor. Als Neubürger kann man sich schließlich über die Mülltrennung, das ewige Jammern und das laute Naseschnauben wundern.

Erst jetzt erklärt sie ihren Lebensweg: In Moskau geboren, in Deutschland von einem türkischen Freund ein Kind und ein Kopftuch bekommen und dann von einem anderen Mann mit dem Aachener Karneval in Kontakt gebracht worden. Kos trägt also russische, türkische und deutsche Kultur in sich und sucht nun nach Identität. Zu spät werden dem Publikum diese Zusammenhänge vermittelt. Pointen versanden, das Publikum staunt mehr, als es lacht.

Dabei haben Liza Kos‘ Figuren durchaus Tiefe. Richtig stark ist die Figur der türkischen Frau. Sie will über türkische Kultur aufklären und sagt: „Das Kopftuch ist keine Unterdrückung, aber der String-Tanga!“ Sie rappt den Song einer selbstbewussten türkischen Ehefrau, die ihrem Mann „die Aleviten liest“. Ergreifend der Eintrag im Tagebuch dieser Frau: „Du siehst nicht mich, Du siehst nur das Kopftuch.“ Und: „Wenn Du mehr wissen willst, hör auf zu urteilen. Frag mich!“

Dem schnellen Schwenk von der comedyhaften Russin zur philosophierenden Türkin kann das Publikum nicht folgen. Lang anhaltender, freundlicher Applaus für Liza Kos.

©2018
Fotos: Rainer Hagedorn

Hier geht’s zu unseren Berichten aus den vergangenen Jahren über die Pfannenwettkämpfe.

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