Cool, kühn, kultig – Kritik Open Stage in der Wildenbruch Bar

2019-01-31 Wildenbruch Bar - Foto © Ritter von LehensteinOpen as open stages can be in Nord-Neukölln

Vom Ritter von Lehenstein

BERLIN – In unserer liveundlustig-Gruppe auf Facebook nutzen immer mehr Künstler und Veranstalter die Möglichkeit, auf ihre Aktionen hinzuweisen. So können auch wir von liveundlustig immer wieder Neues entdecken und – dann auch besuchen.

Neben den Theatern in allen Größen, gibt es viele kleine Läden, Bars und Vereine, die zum Teil regelmäßige Mixed Shows, Lesungen oder Musikabende anbieten, oft auch bei freiem Eintritt. So auch die Wildenbruch Bar,die in der gleichnamigen Straße im Norden Neuköllns liegt. Ein Eckladen, der schon von außen einladend wirkt und innen hält, was der erste Eindruck verspricht.

Einmal im Monat findet im zweiten Raum, der mit einer Kopfbühne und manierlicher Technik versehen ist, eine Open Stage statt. Ansonsten hat sich dieses Kleinod als ein Treffpunkt der elektronischen Musik etabliert. Techno in jeder Färbung unter dem Motto: ‚in love with electronic music‘.

Heute eröffnet Mathias Wildenbruch mit seinen Songs. Früher trat er unter einem anderen Namen auf, als ‚Amazing Maze‘, aber er brauchte Geld, weswegen er nun den Barnamen als Nachnamen benutzen müsste. Hätte er sich „Matthias Wildenbruch-Bar“ genannt, hätte er doppelt so viel bekommen, aber das wäre ihm wiederum zu viel gewesen, flunkert er grinsend.

2019-01-31 Mathias Wildenbruch Open Stage - Wildenbruch Bar - Foto © Carlo Werndl von Lehenstein 2

Die Moderatoren Dave und Clark sagen sehr locker unkonventionell an und schaffen es bis zum Schluss der Veranstaltung, sich gegenseitig aus dem Konzept, welches mitnichten vorhanden zu sein scheint, zu bringen. Stand Up pur, von der ersten bis zur letzten Silbe.

Nach geglückter Überleitung wird Stephen Blaubach angekündigt, und was jetzt kommt, lässt nachdenken. Kunstvolle Texte, in denen er zeigt, welchen Nonsens unsere Sprache zulässt, wenn man sie nicht eindeutig, sondern mehrdeutig betrachtet. In gerne zerstörender Weise zerlegt er einfache Handlungen mit Situationskomik und unterfüttert diese mit überraschend simplen, aber eben intelligent erdachten Wortspielen. Seine Bühnenfigur wirkt allzeit flapsig, ist es verstörend? Oder doch DaDaDa? Er spielt kurze kuriose Szenen, die auf alle Fälle GaGa sind, und das kommt an. Er selbst bezeichnet sich als Comedy & Freizeitkabarettist. – Det isn Komiker, der strotzt vor Albernheit.

2019-01-31 Stepfen Blaubach - Wildenbruch Bar - Foto © Carlo Werndl von Lehenstein

Ein deutlich älterer Herr mit weißer wilder Lockenmähne übernimmt nun die Bühne. Mit seiner Gitarre, die er professionell beherrscht, verkörpert F. G. M. Stegers den Liedermacher der 70er. Der Schauspieler und Synchronsprecher, der eine recht beeindruckende Vita aufzuweisen hat, wollte nach eigener Aussage, nie in den Mainstream gelangen. Er genießt es, dass er seine Songs in einem solchen Rahmen präsentieren kann. Seit 2014 habe der Absolvent der Max-Reinhardt-Schule Berlin immerhin über 400 Gigs als Singersongwriter in den Berliner Musik-Clubs dargeboten. Frei Stephen Blaubach in den Mund gelegt: „Er kann sich hören lassen.“

2019-01-31 SF. G. M. Stegers - Wildenbruch Bar - Foto © Carlo Werndl von Lehenstein

Authentisch kommt ein junger Künstler, der als „Das Menschenskind“ anmoderiert wird, mit seinem Comedy Rap über die Schlacht am kalten Büffet an. Er bedient recht gut geübt die Klischees des Raps zum laufendem Playback. Beim zweiten Song, in dem er dem Kaffee huldigt, als die perfekte Waffe für den Start in den Tag, und dies ohne Musikbegleitung vorträgt, sind Text und Performance witzig, doch der Brühgrad noch nicht optimal eingestellt.

2019-01-31 DMkind Open Stage - Wildenbruch Bar - Foto © Carlo Werndl von Lehenstein 2

Überrascht hat Daniel aus Neukölln, der allerdings in Kreuzberg groß wurde. Er hat was zu erzählen und verfügt über eine sehr charmante Bühnenpräsenz. Seine Auseinandersetzung mit dem Single-Dasein in Zeiten von Tinder und Co. Seine Sehnsüchte, sich selbst zu erfüllen, wo man doch zuerst immer sein eigenes größtes Hindernis, sein Ego überlisten muss, hat top Ansätze. Die Basis für Größeres ist eindeutig vorhanden, und eine echte Berliner Ulknudel ist er jedenfalls. Weitermachen, dranbleiben!

2019-01-31 Daniel Kaser 1 - Wildenbruch Bar - Foto © Carlo Werndl von Lehenstein

Das Anrecht, den Abschluss zu gestalten, obliegt dem sympathischen Mathias Wildenbruch, der einen neuen Song liefert „Die Gedanken eines Deliveral-Fahrers – beim Fahren“. Dazu verwendet er Moderator Dave als gutmütigen Texthalter. Die sich daraus entwickelnde feine Choreografie ist klasse und unterstreicht durch beider einfühlsamer Gesten den Song. Mathias Wildenbruch, der in dieser Location an jedem 3. Mittwoch des Monats auch die Musik-Comedy-Impro-Show ‚Die Magische Musikschau‘ veranstaltet, beschließt den Abend mit „Schauspieler“ und alle Protagonisten verneigen sich vorm Publikum, welches mit wildem Applaus deutlich macht, dass dies eine gelungene Open Stage war – trotz mangelhafter Frauenquote on Stage, wogegen die Mischung im Zuschauerraum nahezu perfekt war.

2019-01-31 Mathias Wildenbruch Open Stage - Wildenbruch Bar - Foto © Carlo Werndl von Lehenstein 1

Die Bar hat Wohlfühl-Charakter, und das von 1920 stammende Rückbüffet bildet eine optimale Symbiose zwischen altem Charme und moderner Philosophie. Den Herren Peter und Brauner ist es gelungen, ein Lokal zu etablieren, das zeitgemäß vom Neukölln-Hype profitiert, das jedoch das Format bietet, dass wenn der Touri-Mode-Zirkus sich weiter dreht, hier an Ort und Stelle eine eigenständige Institution besteht. Die Getränke sind bodenständig in Vielfalt und Preis. Täglich von 19 bis 20 Uhr bietet man dem Gast eine ‚Lockere Stunde‘ an, in der das Berliner Kindl vom Fass für nur 1,80 € (0,4 l) und hausgemachter Mexi oder Berliner Luft für 1,– € (2 cl) zu erheischen sind. Für Weizenbier-Freunde sei erwähnt, dass es hier leckeres Allgäuer Büble Edel Weizen gibt – mit und ohne Umdrehungen. Und würden sie nicht den Whiskey Sour mit Johnny Walker anbieten, hätte ich gerne noch einen genossen. Für 6,50 €, da sagt man nicht „Nein“. Aber der Whisky Sour steht ohne „e“ in der Karte, und dies allein verdient Respekt. Barflies und Nightcats werden mir zustimmen.

2019-01-31 Valeria - Wildenbruch Bartresen - Foto © Carlo Werndl von Lehenstein

Respekt verdient vor allem an diesem Abend auch noch Valeria, eine Italienerin. Die Bar wurde sehr freundlich und aufmerksam weitgehend von ihr geführt. Ein Tresenjuwel.

©2019
Fotos: Ritter von Lehenstein

Webseiten: Mathias Wildenbruch | Stephen Blaubach | F. G. M. Stegers | Daniel Kaser | Wildenbruch Bar

5 Gedanken zu “Cool, kühn, kultig – Kritik Open Stage in der Wildenbruch Bar

    • www.liveundlustig.de 10. Februar 2019 / 22:58

      Da fehlende kleine s haben wir elbtvertändlich ofort eingefügt. orry, aber owa kann chon mal paieren. Danke für den Hinwei und auch für den Link!

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