
„Geile Karre“ – neues Programm der academixer
von Harald Pfeifer
LEIPZIG – In der Bühnenmitte steht eine Couch. Eine Dame und drei Herren spielen darauf und rundherum Kabarett. Die Überschrift (Geile Karre) ist das größte Klischee am Abend und das Sujet ein überaus populäres. Es geht ums geliebte wie gehasste Automobil samt aller aktuellen Diskussionen. Eine Massenbewegung, die längst die Politik auf eine Weise bestimmt, die mit Demokratie oft nicht mehr viel zu tun hat.
Zunächst ist die Couch erst einmal Kommandozentrale. Außerirdische setzen zur Landung an, sie wollen wissen, was auf der Erde so passiert. Schnell wird ihnen klar, da gibt es nur zwei Lebewesen: Die einen auf Beinen und die anderen auf Rädern.

Damit ist das Thema des Abends umrissen, und nun erlebt man ein Nummernprogramm rund um Mobilität, Gesellschaft und Streitkultur. Hochpolitisch und ebenso zutiefst menschlich. Es ist ein Thema, bei dem die Verhaltensmuster schnell sichtbar werden. Überraschen kann man deshalb allerdings nur sehr schwer.
Die Couch ist immer dabei. Mal als PKW (die Lehne als Rücksitz), mal als Sitzgelegenheit oder als Klettergerüst. Wie ticken die Menschen, wollen die Fremden wissen. Es werden also die Wesenszüge der Erdenbürger diskutiert. Die sind nicht gerade schmeichelhaft. Da sind Bequemlichkeit als Lebensprinzip oder die verbreitete Bildschirmgläubigkeit, Missgunst und dann noch der ganze Schwindel. Die Außerirdischen fragen sich „Wie hat es die Gattung eigentlich geschafft?“. In großen Sprüngen bekommt man die Weltgeschichte der Mobilität vorgeführt. Vehikel aller Art als Statussymbol, als Männlichkeitsersatz oder auch als Wunder der Technik.

Man erlebt eine mit Tempo gespielte Nummernfolge über den Problemfall Automobil. Ein Taxifahrer erzählt über den Straßenverkehr, Autobosse einigen sich mit Verkehrsminister Andreas Scheuer, Edelkarossen lästern über ihre Besitzer, Mutter, Vater, Kind auf dem Weg in den Urlaub sind auch dabei, und schließlich wird aufgeklärt, zum fahrbaren Untersatz gibt es nur eine wirkliche Alternative: Fußball. Sprüche wie „Emotionen sind wichtiger als Fakten.“ geben die Richtung an und schließlich steht die Frage, wozu all die Entwicklungswut, wobei doch die Konsequenzen längst nicht mehr zu übersehen sind. Die Antwort ist kurz und unmissverständlich: „Weil man es kann.“


Freilich hat man über Verkehr und Verkehrsmittel schon so viel geredet, dass da kaum ein Aspekt vollkommen neu ist. Aber den Problemfall Automobil so geballt ins Bewusstsein des Zuschauers zu rücken, gehört halt auch zu den Aufgaben des Kabaretts. Am eindrucksvollsten ist das Gespräch eines vernetzten PKWs mit seinem Besitzer. Das erklärt plastisch, wie sehr die Apparate ihren Besitzern bereits überlegen sind. Die haben die Kontakte wie auch das Knowhow, und ohne ihre Zustimmung bewegt sich in naher Zukunft ohnehin kein Auto mehr. Der Mensch ist seinen Erfindungen erlegen.

Mit dem Programm „Geile Karre“ erlebt man bei den academixern amüsantes, hemdsärmeliges, etwas auf verrückt getrimmtes Kabarett. Das Textbuch stammt von Thilo Seibel, mitgeholfen haben Elisabeth Hart, Laura Engel und Hans Holzbecher. Auf der Bühne stehen Elisabeth Hart, Jens Eulenberger, Peter Treuner sowie Felix Constantin Voigt und überzeugen mit einem für das Kabarett in der Leipziger Kupfergasse ungewohnten, fast überraschenden Spiel. Es erinnert etwas an das vom Düsseldorfer Kom(m)ödchen. Aus gutem Grund, hier saß der gleiche Regisseur am Pult: Hans Holzbecher.
Und nicht unerwähnt soll der grandiose Komponist, Arrangeur und Pianist Ekky Meister bleiben. Seine Musik ist immer wieder beeindruckend. Der ganze Abend macht Freude, selbst wenn man sich eine Ost-Nummer mit Trabbi und Ostalgie nach dreißig Jahren nun langsam mal hätte sparen können.

©2019
Fotos: Ritter von Lehenstein
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