Liebe Freundinnen und Freunde des politischen Kabaretts,
ab und zu werde ich gefragt: „Worüber darf man Witze machen, wo ist für Sie die Grenze?“ Und dann lautet meine Antwort jedes Mal: „Ganz einfach: Ich bin weiß, männlich und heterosexuell. Das heißt, in mir vereinigen sich drei gesellschaftlich privilegierte Dominanzgruppen. Und wenn ich als ein solches Prachtexemplar auf etwas keinen Bock habe, dann ist es, mich dem „das-wird-man-doch-wohl-noch-sagen-dürfen“ anzuschließen und Witze auf Kosten von unterdrückten, diskriminierten oder dominierten Gruppen zu machen. Ich bin schließlich Schalker, ich habe also Erfahrung, wie sich das anfühlt.
Und wenn ich sage, „Ich bin weiß“, dann heißt das, dass ich gar nicht wissen kann, wie es ist, wegen der Hautfarbe diskriminiert zu werden. Und wenn zum Beispiel circa 3% der Menschen in Deutschland die überwältigende Mehrheit von 97% der Menschen in Deutschland höflich darum bittet, ein bestimmtes Wort, das mit „N“ anfängt, im Zusammenhang mit ihnen nicht mehr zu verwenden, dann lautet der Witz darauf eben nicht: „Höhö, immer diese Sprachpolizei, immer diese political correctness der Besorgnisfraktion. Was verbieten se mir als nächstes? Führerschein? Höhö?“
Sondern die einzig adäquate Antwort kann nur lauten: Auch wenn ich selber kein Rassist sein will, muss ich doch kapieren, dass ich mich trotzdem immer wieder rassistisch verhalte. Unbewusst und ohne böse Absicht. Weil ich aber so selbstverständlich in meinem Weiss-sein erzogen wurde, dass ich gar nicht merke, wenn ich mich Nicht-Weissen gegenüber diskriminierend verhalte. Denn wenn ich jemanden darum bitte, mich nicht mehr Arschloch zu nennen, dann erwarte ich schließlich auch kein: „Höhö, und Drecksau willste mir dann wohl auch verbieten, oder was. Höhö?“
So wie ich auch als Mann oftmals gar nicht merke, wenn ich mich Frauen gegenüber diskriminierend verhalte. Das Doofe dabei ist, dass ich in meiner Kindheit ganz selbstverständlich mit männlichen Dominanzansprüchen erzogen worden bin, mit Sätzen wie zum Beispiel: „Herrlich kommt von Herr, und dämlich kommt von Dame. Höhö“. Die Folge davon ist, dass ich mich immer wieder dabei ertappe, wenn ich mich heute als erwachsener Mann unbewusst und ohne böse Absicht Frauen gegenüber diskriminierend verhalte.
Neulich sagte meine Frau zu mir, ich sei dominant. Darauf habe ich ihr geantwortet: „Red nich son dummes Zeug.“ Und da stand’s wieder unentschieden. Für mich. Für sie sah die Sache anders aus.
Und richtig kniffelig wird es, wenn ich als heterosexueller Mann höre, wie eine heterosexuelle Frau einen Witz über intersexuelle Menschen macht, so zum Beispiel, dass es Männer gibt, die nicht mehr wüssten, ob sie beim Pinkeln stehen oder sitzen sollen. Zugegeben, das klingt zunächst mal wie die Retourkutsche einer scheinbar emanzipierten Frau gegen die Machoallüren einer männlich dominierten Karnevalsgesellschaft in der schwäbischen Provinz. („Höhö“)
Spätestens aber, wenn sich Mitglieder dieser intersexuellen Gruppe melden, und anmerken, dass die Selbstmordquote unter Menschen mit unentschiedener geschlechtlicher Identität 20 mal höher ist, als in der heterosexuellen Dominanzgesellschaft, und dass es genau solche Witze sind, die dabei ihren Teil dazu beitragen, spätestens dann sollte man sich als Hetero, egal ob männlich oder weiblich, doch nur mal kurz überlegen, ob man sich wirklich einen Zacken aus der Krone bricht, einfach mal zu antworten: „Sorry, das war mir nicht klar, das war keine böse Absicht. Ich werde es einfach in Zukunft nicht wieder machen. Vor allem auch, und nicht zuletzt, weil ich Vorsitzende einer Partei bin, die den Begriff „christlich“ in ihrem Namen führt.
Solange aber auch nur ein Mann erklären will, wann Frauen sich diskriminiert fühlen dürfen, solange auch nur ein Weisser erklären will, wann Schwarze sich diskriminiert fühlen dürfen, und solange auch nur eine Bundeslandwirtschaftsministerin erklären will, wann Intersexuelle sich diskriminiert fühlen dürfen, solange sollte man nie vergessen, mit dem selben Finger, mit dem man auf die AfD zeigt, auch an die eigene Nase zu fassen.
©2019 HG.Butzko/ BonMoT-Berlin
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