Zum Tod von Olaf Böhme
von Harald Pfeifer
DRESDEN – Allgemein verbindet man den Dresdner Doktor der Mathematik und Kabarettisten Olaf Böhme mit seiner Figur des „betrunkenen Sachsen“. Damit feierte er vor knapp 30 Jahren große Erfolge. Die betütelte Volksfigur passte präzise in die Zeit der aufkommenden Comedy, in der über Jux und Dollerei kaum etwas ging. Zwar war da oft weit mehr, aber man war halt auf Spaß aus. Genau das führte dazu, dass er auch über die Grenzen Sachsens hinaus wahrgenommen wurde.
Im letzten Jahrzehnt der DDR hatte er begonnen, Gedichte und Kurzprosa zu schreiben, dann arbeitete er in Dresdens freier Theater- und Filmszene, bis er 1987 erste Soloabende gab. Er gehörte in den 90er Jahren zu den neuen Namen in Dresden, wie der Schauspieler Tom Pauls, der Mann ohne Grenzen Olaf Schubert oder die Pantomimen Rainer König und Alf Mahlo. Olaf Böhme konfrontierte in seinen Soli mathematische Logik mit dem Unsinn der Welt und traf damit den hemmungslosen Übermut dieser Zeit im Kern. Dafür erhielt er 1992 den Kleinkunstpreis von St. Ingbert im Saarland.
Dann aber begann der Kampf mit und um die Figur des „betrunkenen Sachsens“. Denn Olaf Böhme wollte mehr als der Schöpfer einer Jux-Figur sein. Er misstraute seinem Erfolg und wollte immer wieder seine Volksfigur aufgeben. Er sah vermutlich vor allem die Gefahren dieses amüsanten Alkoholikers und weniger seine Möglichkeiten. Vielleicht meinte er auch, den Applaus von der falschen Seite bekommen zu haben. Er liebte das Absurde und nicht den leichten Spaß. Er spielte mit Shakespeare, erfand Märchen, befasste sich mit Samuel Beckett oder interpretierte das Telefonbuch. Vermutlich war der Spaß bei ihm ein mathematisches Modell.
So brachte Olaf Böhme über die Jahre etwa 50 Programme auf die Bühne. Allerdings fand er immer wieder zu seinem ungeliebten „betrunkenen Sachsen“ zurück. Einerseits brachte ihn die Beliebtheit dieser Figur beim Publikum dazu, andererseits hatte man den Eindruck, dass er sich über die Jahre mit ihr mehr und mehr ausgesöhnt hatte. Mit seinem letzten Programm „…weeßte?!“ hatte sich so im gewissen Sinne ein Kreis geschlossen. Und was die Pointen anbetrifft, war ein Experte am Werk. Ein Mathematiker, denn der Spaß braucht eben Genauigkeit – dazu auch die Ökonomie der Worte und Logik.
Olaf Böhme war ein Mann, der die kleine Form ganz selbstverständlich beherrschte, sich also auf der kleinen Bühne wohl fühlte, ganz ohne Kamera und raffinierte Beleuchtung. Am besten sollte das Publikum nicht weiter als zwei Meter von der Bühne entfernt sein, er ließ sich beim Witzemachen auf die Finger gucken. Da war kein Schwindel. Und für all das, was seine Kunst ausgemacht hat, brauchte er keine große Medienpräsenz, das Publikum kam in Sachsen ohnehin. Auch deshalb, weil er immer überraschend war.
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