Suche nach dem verlorenen roten Faden
»Auf Nimmerwiedersehen« – Die Brauseboys aus dem Wedding bilanzieren das Jahr 2019 im Comedy Club Kookaburra
von Beate Moeller
BERLIN – Auf der Schönhauser Allee vor der Tür des Comedy Club Kookaburra kann man sich aussuchen, über welchen der drei E-Roller man zuerst stolpern möchte. Drinnen läuft »Auf Nimmerwiedersehen 2019 – ein Jahr kommt unter die Räder« über die Bühne. In einigen Beiträgen bezieht sich die Vorlesegruppe aus dem Wedding auf das »gerade frisch verstorbene Jahr«.
Beispielsweise im Schlusslied, in dem die Prominenten, die 2019 diese Welt verlassen mussten, u.a. nebenbei Wiglaf Droste, mit jeweils einem Satz abgehakt werden. Heiko Werning kommentiert – viel zu lang – Ausschnitte aus der Boulevardpresse über die Angst vor der Rückkehr der Wölfe, also der »Verwolfung des Abendlandes«.
Volker Surmann hat eine Meinung zu E-Roller-Fahrern – »Du siehst scheiße aus« – und fordert unter Berufung auf Georg Kreisler zum kollektiven »Rollerversenken im Fluss« auf. Bombastisch der Anmarsch zum Opening nach Status Quo »In The Army Now« – »Bei der Bundeswehr« »Die hat jetzt ’ne Chefin, die heißt wie’n Maschinengewehr«. Die Gurkentruppe wird von Nils Heinrich kommandiert, der nach zehn Jahren Auszeit als Solist wieder zu den Brauseboys zurückgekehrt ist – ein Lichtblick.
Manches mag 2019 geschrieben worden sein. Etwa die Schmährede an die Wessis zum Jubiläum des Mauerfalls. Den Text kann man auf den ausliegenden Flyern für Nils Heinrichs neues Solo, das Ende Januar zur Premiere kommt, mitlesen. Wieso denken eigentlich so viele Leute aus der DDR, sie hätten den Kindergarten erfunden?
Ganz witzige Idee, die Tagesschau aus der Zukunft, in der Donald Trump den Literaturnobelpreis für seine Tweets erhält, vorhersehbar gratuliert Peter Handke. Die Nachrichten enden, anstelle mit der gewohnten Wettervorhersage, mit einer tollen Neuerung, der aktuellen Internetempfangsansage. Leider hat bei der Produktion des Videos der Mensch am Ton nicht hingehört, so, wie der Virtuose der Raumpegelregler.
Der seit einigen Jahren boomende Trend ASMR wird zum Phänomen des Jahres 2019 erklärt. Dabei handelt es sich um Videos, die Leute anklicken, um wegzunicken. Gleich zwei Persiflagen auf derartige Clips mit »beruhigenden« Geräuschen wie Rascheln, Knistern und Flüstern muss man im Laufe des Programms standhalten.
Während jeweils ein Brauseboy seinen Text abliest, lümmeln die anderen fünf müde (ASMR oder den täglichen Doppelvorstellungen geschuldet?) auf ihren Stühlen rum, nicht gerade unterhaltsam. Wie auch der obligatorische Leiertonfall der Vorleser, der vielleicht Understatement signalisieren soll.
Der simpathische Thilo Bock ist wegen seines nicht gespielten Sprachfehlers leider nahezu unverständlich. Da hätte erneut einwenig Unterstützung vom Pult geholfen. Durch die gemeinsamen Lieder wird geholpert und gestolpert, Rhythmus und Melodie nebensächlich.
Und warum preist Heiko Werning seine Gedanken wie ein Kaufhauspropagandist einen überteuerten Gemüsehobel an? Volle Lotte immer das Wort am Satzende betont. Alles in allem ein schludrig zusammengeschustertes und präsentiertes Programm, das uneitel auf sprachliche Brillanz verzichtet und dem Publikum geistige Herausforderungen erspart.
©2020 BonMoT-Berlin
Fotos: Carlo Werndl von Lehenstein
HPs.: Nils Heinrich | Thilo Bock | Volker Surmann | Robert Rescue | Frank Sorge | Heiko Werning | Brauseboys
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