Als Iwan Petrowitsch Pawlow am 27. Februar 1936 in Leningrad starb, war an „Bio“ noch gar nicht zu denken. Zwar gab es die Grüne Woche in Berlin schon zehn Jahre, jedoch noch kein „Biotainment in der Biohalle“. Die drei Buchstaben werden reflexhaft mit dem Zustand weitgehender Natürlichkeit assoziiert, bedeuten aber zunächst nicht mehr und nicht weniger als „Leben“. Das kann – erst mehr, dann weniger – in Tieren oder Pflanzen nachgewiesen werden. Weiterlesen
Janina Fleischer
Flucht und fertig – Glosse von Janina Fleischer
Viele kennen das vom Telefonieren. Damals. Als die Festnetztelefonschnur an einen Ort fesselte. Niemand konnte nebenbei die Spülmaschine ausräumen, Fenster putzen oder fix noch Milch und Eier kaufen.
Deshalb wurde – je nach Multitaskingfähigkeit und Grad der Langeweile – nebenbei auf Zettel oder Zeitungsränder gekritzelt. Linien, Muster, Ornamente. Blumen, Gesichter, Gewaltphantasien. So entstand, woran Psychoanalytiker ihre Freud hätten. Am Ende eines Telefonats mit Mutter Weiterlesen
Verspätung ist Luxus – Glosse von Janina Fleischer
Schlendern ist Luxus, hat Ulla Meinecke einst gesungen. Das war, als Geiz noch nicht geil war und Bahnfahren bezahlbar. So teuer wie in Irland ist es hierzulande zwar noch nicht, also wie eine Tour mit dem „Belmond Grand Hibernian“, allerdings auch nicht so bequem. 5500 Euro kostet die Fahrt, berichtet Spiegel-Online, da ist dann aber auch schon alles mit drin. Sogar Mitropa.
Fünf Tage dauert das Vergnügen. Das ist in diesem Fall Absicht. Denn beim „Belmond Grand Hibernian“, der Weiterlesen
Dickes Fell – Glosse von Janina Fleischer
Zuweilen ist die Welt ist ein kalter Ort. Physikalisch oder emotional. In diesem Winter nun langsam beides. Dagegen gibt es warme Socken und das Internet. Das mit den Socken dürfte klar sein, das mit dem Netz wirkt kompliziert. Denn gerade ist ja mehr vom Hass zu spüren als von Liebe, von Dummheit als von Geist, von Resignation als von Zuversicht. Für alles wird gern Facebook ins, nun ja, Feld geführt. Dabei ist gerade dort zu finden, was ein bisschen Wärme geben kann: Katzen-Videos. Weiterlesen
Butter Meimer – Glosse von Janina Fleischer
Marie-Luise Marjan gibt es gar nicht. Zwar wurde sie am 9. August 1940 in Essen geboren, hat die Schule besucht, Schauspiel studiert und auf Theaterbühnen gestanden, wofür sich Augenzeugen finden lassen. Seit dem 8. Dezember 1985 aber ist Marie-Luise Marjan Helga Beimer, Mutter der „Lindenstraße“, die ihrerseits als Mutter aller deutschen Endlosserien gilt.
Da muttelt sie und kann nicht anders. Aber sie mag ihre Mütterlichkeit, ihren Humor, ihre Durchsetzungskraft. Weiterlesen
Fahr hin and find out – Glosse von Janina Fleischer
Urlaubszeit, die Menschen sind erschöpft, es zieht sie in die Ferne. Viele, immer mehr. Irgendwann werden alle ihre Ferien auf Mallorca verbringen wollen, doch die Aufnahmekapazität der Balearen ist ihrerseits „total erschöpft“, wie die neue Regierung dieser Tage erklärt hat. Die Inseln bräuchten im Grunde Urlaub von den Touristen, weshalb man nicht ausschließt, ein Limit für die Sommermonate zu beschließen.
Offenbar haben Bikiniverbot in Straßencafés Weiterlesen
Etwas Stabiles – Glosse von Janina Fleischer
In Bad Doberan findet ein Festival statt. So weit, so gut. Es ist die Zappanale, die den Rockmusiker Frank Zappa ehrt. Okay. Drei Tage lang stehen Musiker auf der Bühne – und 25 Musiker-Penisse in einer Glasvitrine. Ja, bei der Ausstellung „Penis Dimension“ handelt es sich „eventuell“ um Kunst, nämlich dann, wenn „eine künstlerische Intention da ist“, wie Jörg-Uwe Neumann sagt, Chef der Rostocker Kunsthalle.
Es lässt sich alles erklären. Weiterlesen
Echt einfach – Glosse von Janina Fleischer
Beim Discounter, also dem, was früher Kaufhalle hieß, gibt es eine Büchsensuppe. Das ist nicht weiter überraschend, schon gar nicht ist es etwas Besonderes. Und genau darin liegt das Problem. Für die Hersteller. Sie müssen sich etwas einfallen lassen, damit die eine Büchsensuppe sich von der anderen dergestalt unterscheidet, dass die Kunden sich bewusst für die eine entscheiden oder eben für die andere. Weiterlesen
Jugend tickt – Glosse von Janina Fleischer
Es ist erst ein paar Tage her, da klagten die Briefmarkensammler über Nachwuchssorgen. Die Szene schrumpft und schrumpft. Und die der Skatspieler auch. „Früher hatte manch einer nicht viel mehr als ein Kartenspiel“, sagt Sabine König. Sie ist Jugendreferentin im Deutschen Skatverband und weiß: „Es ist halt auch ein gesellschaftliches Phänomen.“ Die 32 Karten kommen ohne Ladegerät aus, konkurrieren aber mit allem, was Akkus oder Kabel hat. Weiterlesen
Eher nicht – Glosse von Janina Fleischer
Die Ehe ist in aller Munde. Nicht zuletzt, weil eine Frist gerade abgelaufen ist: Am 31. Mai war die Einkommensteuererklärung fällig. Stets ein schöner Moment, sich der Vorzüge gemeinsamer Veranlagung zu erinnern. Steuerrechtlich gesehen, nicht sexuell. Gleichwohl im Moment eine „Ehe für alle“ die Koalitionspartner scheidet.
Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) fürchtet sich nicht nur vor Weiterlesen
Nur für lange Zeit: The Future Library – Kolumne von Janina Fleischer
Das Wetter scheint nur so mittelgut zu sein in den Wäldern von Oslo. Jedenfalls trägt Margaret Atwood eine Art Regenhut mit lilafarbener Krempe und macht überhaupt einen recht wetterfesten Eindruck, während sie ein Paket weiterreicht, das von einer Schleife zusammengehalten wird, deren Farbton ebenfalls ins Lilane zu spielen scheint. So genau kann man es nicht erkennen auf den Fotos, die aus den norwegischen Wäldern in die Welt gelangt sind.
Violett soll ja die Farbe der Spiritualität sein, Weiterlesen
Energische Reibung – Glosse von Janina Fleischer
Sie gilt als gefährliche Farbe. Gefährlich, nicht wild. Mit Rosa und Herrenoberhemden nämlich, so legen Modekritiker nahe, verhält es sich wie mit dem Ausspähen unter Freunden: Geht gar nicht. Anders als in der NSA-Affäre ist in der Rosa-Hemden-Sache schon ermittelt, wer was wie darf. Dafür sorgen Designerplaudertaschen wie „Shopping Queen“-König Guido Maria Kretschmer. Wie manchmal, wenn’s gefährlich wirkt, hilft über dünner Haut ein dickes Fell.
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Ein weites Fell – Kolumne von Janina Fleischer
Berlin hat Bären, Leipzig Löwen, und Bremen ist mit den Stadtmusikanten geradezu tierreich. Hunde sind eher selten symbolhaft mit Städten oder gar Ländern verbunden. Brandenburg hat sich jetzt in Erinnerung an den großen Loriot kleine Waldmöpse zugelegt. Die sind aber nur aus Bronze. Ganz im Gegensatz zu den Bernhardinern, mit denen sich Touristen so gern vor der Kulisse des Matterhorns fotografieren lassen. Die sind aus Hund, das ist ein Problem. Weiterlesen
Akzente im Kühlregal – Kolumne von Janina Fleischer
Das hört man gern: die direkte Ansprache der Leser. Erkennbar am: Ausrufezeichen! Auf Stéphane Hessels aus widerständigem Herzen rufende Bändchen „Empört Euch!“ und „Engagiert Euch!“ folgten eher halbherzige Nachahmer wie „Beruhigt Euch!“ oder „Vernetzt Euch!“. Gewiss liegt „Fesselt Euch!“ schon beim Lektor.
Derlei Kurz-Lektüren füllen ungefähr die Dauer einer Zugverspätung aus Wettergründen und sind in Buchhandlungen meist dort zu finden, wo in Kaufhallen die sogenannte Quengelware platziert wird: an der Kasse. Weiterlesen
Falsch verbunden – Kolumne von Janina Fleischer
Sie treiben uns vor sich her: die Errungenschaften der Unterhaltungselektronik, die das Leben erleichtern sollen, was es schwerer macht, sich darin selbst zurechtzufinden. Schon sitzen ältere Menschen um eine Lagerfeuer-App und seufzen: „Weißt du noch…“
Weißt du noch, damals, als Mobiltelefone so groß wie kleine Koffer waren? Jemand erinnert sich, dass Funkgespräche plötzlich aus dem Radio im Nachbargarten schallten. Und niemand dachte: „NSA!“ Damals. Als Kühlschränke sich noch nicht selbst überwachten. Weiterlesen